Schon als Schüler hat Steffen Kluge, Jahrgang 1964, mit seinen
Lichtexperimenten begonnen. Er fand in vielen kleinen Schritten heraus, Bilder
mit Licht zu komponieren, und zwar in der Art, wie sie der Bauhaus-Künstler
Laszlo Moholy Nagy einst als Lichtgestaltung gefordert hatte. Die
Lichtgraphiken entwickelt Steffen Kluge systematisch und zielstrebig,
wenngleich sie im Arbeitsprozess für den Künstler nicht immer kalkulierbar
sind. Spontanität und Zufall werden mit kühler Gelassenheit und Ruhe im
Vertrauen auf seine Intuition in sein Schaffen mit einbezogen. Es entstanden
Arbeiten von feinster Poesie. Aber schon sehr bald hat er die Ideen von Nagy in
wesentlich neue Bereiche erweitert und fortentwickelt, indem er zunächst
die notwendigen technischen Möglichkeiten in mühevoller Kleinarbeit erdacht und
realisiert hat. Entstanden ist etwas ganz Neues, etwas, das es bisher nicht
gegeben hat, eine Malerei mit farbigen Licht. Und das Neue an dieser Malerei
liegt darin, daß damit eine wirkliche Alternative zum traditionellen Malen
geschaffen ist, nicht mehr ein Auftragen von Farben als schichtweises Zudecken
von Flächen, sondern ein Komponieren gleichsam als schichtloses Auflegen von
Licht auf eine Malplatte. Dem Licht entwindet er mit ausgetüftelten Methoden
der Lichtbrechung die Farben, legt diese schichtlos geschichtet auf einen
Untergrund, der für ihn die Leinwand ist, und anschließend wird das entstandene
Lichtgemälde mit fototechnischen Mitteln für den Betrachter, für die Nachwelt
transportierbar gemacht.
Neu an Steffen Kluges Malweise ist aber auch das vollständige Wegfallen der Form, hier wird erstmals in letzter Konsequenz die Form aufgehoben, es bleibt die formlose Farbe aus reinen Licht. Rembrandt war einst der große Darsteller des Lichtes, doch die Impressionisten machten die ersten Schritte in Richtung der Auflösung der Form durch Zerlegung des Lichtes in kleine Lichtreflexe; am Ende dieses Weges stehen nun die Arbeiten von Steffen Kluge, ganz ohne Form, nur noch Licht, Ur-Licht müsste man es nennen. In Rhythmik, Form- und Farbgebung sind in den Lichtgraphiken die Gesetzmäßigkeiten der Brechung des Lichts zu erkennen. Wenn der Betrachter den Dialog mit den Lichtgraphiken sucht, findet er sicher den mystischen Zauber in den Regenbogenfarben. Seine Lichtgraphiken gewinnen immer mehr an ungewöhnliche Lichtfülle, Leichtigkeit und Harmonie. Die Farbigkeit der Lichtgraphiken ist stets akzentuiert und in sich stimmig. Ein bestimmter Ton, nicht selten Blau oder Orange, herrscht jeweils in einer Arbeit vor. Von diesem dominanten Farbwert aus durchstreift der Künstler das gesamte Farbspektrum. Steffens Kluge transparente Farben und Überschneidungen, Farbverschiebungen und Durchdringungen, ohne perspektivische Mittel, erreicht er seine eigene prägende Bildtiefe, eine neuartige Perspektive aus dem Licht, er macht eine unbekannte "neue" Wirklichkeit sichtbar. Mit den Lichtexperimenten und der Suche nach neuen Darstellungen der Lichtgraphiken entdeckt Steffen Kluge in mehrfacher Hinsicht Mehrdeutigkeiten der Wirklichkeit. Diese verborgenen Wirklichkeiten zwingen Kluge, seinen Lichtgraphiken keine Titel zu geben.
Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Kufferath von Kendenich